Inquisition – Aufstieg der Black-Metal-Band und ihr Pädophilie-Skandal 2018.
Die Black-Metal-Szene ist bekannt für ihre extreme Ästhetik, provokante Symbolik und die bewusste Überschreitung gesellschaftlicher Grenzen. Doch was passiert, wenn die Abgründe nicht nur Teil der Inszenierung sind, sondern bittere Realität? Der Fall von Jason „Dagon“ Weirbach, Frontmann der US-amerikanischen Band Inquisition, hat 2018 genau diese Frage aufgeworfen. Was als gefeierter Underground-Erfolg begann, mündete in einem Skandal, der die Grenzen zwischen Kunst, Moral und Kriminalität auf erschütternde Weise verwischte. Dieser Artikel zeichnet die Geschichte einer Band nach, deren okkulte Musik einst die Black-Metal-Welt elektrisierte – bis Pädophilie-Vorwürfe aus der Vergangenheit alles veränderten. Eine Chronik des Aufstiegs, der Enthüllung und der schmerzhaften Konsequenzen.
Inhalt

Hintergrund der Band: Aufstieg und Kontroversen
Inquisition ist eine Black-Metal-Band, die 1988 vom Sänger und Gitarristen Jason „Dagon“ Weirbach in Kolumbien gegründet wurde. Anfangs spielte die Gruppe, damals noch unter dem Namen Guillotine, Thrash Metal, bevor sie Mitte der 1990er ihren Stil in okkult geprägten Black Metal wandelte. Später übersiedelte Dagon in die USA, und Inquisition etablierte sich als Duo – bestehend aus Dagon (Gesang/Gitarre) und Thomas „Incubus“ Stevens (Schlagzeug). Im Underground genoss die Band schnell Kultstatus. Mit Alben wie Into the Infernal Regions of the Ancient Cult (1998) und Ominous Doctrines of the Perpetual Mystical Macrocosm (2010) erspielte sie sich eine treue Fanschar in der globalen Extreme-Metal-Szene. Ihren Erfolg krönten Inquisition durch Plattenverträge bei renommierten Labels (z.B. Season of Mist, wo 2013 und 2016 zwei Alben erschienen) und Tourneen mit Größen der Szene.
Allerdings blieb die Band nicht frei von Kontroversen. Bereits Jahre vor 2018 geriet Inquisition ins Zwielicht durch Vorwürfe des Rechtsextremismus: So sorgte etwa der Song „Crush the Jewish Prophet“ (auf dem 2004er Album Magnificent Glorification of Lucifer) für Kritik und den Vorwurf, Dagon flirte mit antisemitischen bzw. neonazistischen Ideologien. Die Band veröffentlichte zudem frühere Werke über Labels mit zweifelhaftem Ruf in der Neonazi-Szene, und Dagon betrieb ein elektronisches Nebenprojekt namens 88MM – eine Zahl, die in rechtsextremen Kreisen als Code gilt. Dagon bestritt diese Anschuldigungen jedoch vehement. In einem Interview 2014 stellte er klar, dass er kein Neonazi sei. Der fragliche Songtitel beziehe sich laut ihm auf Jesus Christus als „jüdischen Propheten“ im Christentum – provokant, aber dem Selbstverständnis nach im Rahmen ihrer satanistischen Ästhetik. Trotz solcher Rechtfertigungen haftete der Band ein umstrittener Ruf an, was aber ihrer Popularität im Black Metal bis dahin keinen Abbruch tat.

Der frühe Skandal: Ermittlungen wegen Kinderpornografie 2007–2009
Ein weitaus gravierenderes Problem sollte sich jedoch ab 2007 anbahnen – abseits der öffentlichen Wahrnehmung. In jenem Jahr geriet Dagon ins Visier der Strafverfolgung in Washington (USA). Ende 2006 hatte das National Center for Missing and Exploited Children (eine US-Behörde zum Schutz Minderjähriger) einen Hinweis an die Polizei in Everett, Washington, weitergeleitet. Der Grund: Auf dem damals populären Bild-Hosting-Dienst Photobucket waren pornografische Bilder von minderjährigen Mädchen hochgeladen worden. Ermittler konnten die fraglichen Inhalte zu einem Account zurückverfolgen, der auf Jason Weirbach registriert war. Konkret handelte es sich um sechs Fotos, die sehr junge, teils vorpubertäre Mädchen halbnackt bzw. nackt in eindeutig sexuellem Kontext zeigten.
Die Polizei reagierte umgehend: Weirbachs Computer wurde beschlagnahmt und forensisch untersucht. Dabei stießen die Beamten offenbar auf weiteres belastendes Material. In den gelöschten und teils wiederhergestellten Dateien fanden sich laut Polizeibericht sowohl Bilder als auch Videos mit kinderpornografischem Inhalt – Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern, teils im Alter von nur zwei, neun oder dreizehn Jahren, die beim Lesen der Beschreibungen Abscheu hervorriefen. Weirbach bestritt zwar, gezielt Beweise vernichtet zu haben, doch der Verdacht der Beweismittel-Löschung stand ebenfalls im Raum, da Tausende Dateien kurz nach der ersten Polizei-Visite entfernt worden waren.
Im August 2009 kam es schließlich zur juristischen Aufarbeitung des Falls vor dem Superior Court in Snohomish County, Washington. Um eine langwierige Gerichtsverhandlung zu vermeiden, akzeptierte Jason Weirbach einen Plea Deal (eine Verständigung zwischen Anklage und Verteidigung). Im Rahmen dieses Deals wurden die ursprünglichen Anklagepunkte wegen Besitzes und Verbreitung von Kinderpornografie fallengelassen. Weirbach bekannte sich stattdessen in zwei geringeren Punkten für schuldig: zum einen der Behinderung der Justiz (aufgrund der mutmaßlichen Beweisvernichtung), zum anderen einem Delikt, das als „unzulässige öffentliche Zurschaustellung von Pornografie“ beschrieben wird (offenbar bezogen auf das Hochladen pornografischer Inhalte an einem öffentlich zugänglichen Ort im Internet). Durch diese Vereinbarung konnte er eine Verurteilung als Sexualstraftäter vermeiden. Das Gericht verhängte eine vergleichsweise milde Strafe: Berichten zufolge musste Weirbach eine Geldstrafe von rund 1.000 US-Dollar zahlen. Zudem erhielt er eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, in der ihm u.a. die Internetnutzung nur eingeschränkt erlaubt war. Einen längerfristigen Gefängnisaufenthalt blieb ihm erspart – lediglich etwa einen Monat hatte er in Untersuchungshaft verbracht, der auf die Strafe angerechnet wurde. Wichtig festzuhalten ist, dass er aufgrund dieses Deals nicht als Sexualstraftäter registriert wurde und nach Ablauf der Bewährungsauflagen 2011 strafrechtlich als rehabilitiert galt.
Bemerkenswert ist, dass all diese Vorgänge seinerzeit – 2007 bis 2009 – unter dem Radar der Öffentlichkeit blieben. Weder die Metal-Presse noch Fans wussten von den Anschuldigungen oder dem Gerichtsverfahren. Inquisition setzten ihre Karriere unbehelligt fort: Neue Alben erschienen, Tourneen wurden gespielt. Erst Jahre später sollten diese düsteren Kapitel aus Dagons Vergangenheit ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden – und dies mit voller Wucht.



Enthüllung 2018: Vorwürfe werden öffentlich
Im März 2018, fast neun Jahre nach dem Urteil, geriet der Fall plötzlich in den Fokus der Metal-Öffentlichkeit. Auslöser war ein investigativer Artikel des US-Webzines MetalSucks, der am 23. März 2018 publiziert wurde. Die Autoren von MetalSucks hatten in öffentlich zugänglichen US-Gerichtsarchiven die Dokumente zu Jason Weirbachs Verfahren entdeckt. Ihr Bericht legte minutiös dar, was damals geschehen war: von den Photobucket-Fotos über die Durchsuchung von Dagons Computer bis hin zum gerichtlichen Urteil und den Details des Plea Deals. Sogar Scans offizieller Gerichtsdokumente wurden zur Untermauerung veröffentlicht. Damit war erstmals für jedermann nachvollziehbar, dass der frontmann einer bekannten Black-Metal-Band in Kinderporno-Delikte verwickelt gewesen war.
Die Nachricht schlug in der Metal-Szene ein wie eine Bombe. Zunächst kursierten Gerüchte: Am Tag der Veröffentlichung meldete das französische Label Season of Mist, bei dem Inquisition unter Vertrag standen, überraschend via Facebook, dass es die Zusammenarbeit mit der Band mit sofortiger Wirkung beendet habe. In der knappen Mitteilung vom 23. März hieß es schlicht: „Season of Mist are no longer working with Inquisition. There will be no further statement.“ Eine Begründung wurde nicht geliefert, doch die Szene begann sofort zu spekulieren. Unter dem Facebook-Post und in Foren schossen Mutmaßungen ins Kraut: Einige vermuteten zunächst einen Zusammenhang mit den altbekannten politischen Kontroversen (nach dem Motto: Hatte das Label genug von den Nazi-Vorwürfen gegen Dagon?). Doch schon wenige Stunden später zeichnete sich der eigentliche Grund deutlich ab.
Der MetalSucks-Artikel verbreitete sich rasch und ließ keinen Zweifel, dass es tatsächlich um die Kinderpornografie-Vorwürfe gegen Dagon ging. MetalSucks selbst berichtete, man habe Season of Mist vor der Publikation mit den Ergebnissen der Recherche konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Offenbar hatte das Label daraufhin umgehend die Reißleine gezogen – der Facebook-Post war die Folge. Damit war klar: Die unsäglichen Details aus Dagons Vergangenheit waren nun öffentlich, und die Konsequenzen für Inquisition begannen sich zu entfalten.
Reaktionen in der Metal-Szene
Die Enthüllungen lösten innerhalb der Metal-Community heftige Reaktionen aus. Viele Fans und Musiker zeigten sich schockiert und entsetzt, hatten sie es doch mit einem im Black Metal eher ungewöhnlichen Skandal zu tun – Pädophilie gehört nicht zu den typischen Aufregern einer Szene, die sonst eher mit Satanismus-Inszenierungen oder politischen Extremismusvorwürfen konfrontiert ist. In sozialen Netzwerken und Kommentarspalten entbrannten hitzige Debatten darüber, wie mit der Band nun umzugehen sei.
Zahlreiche Fans wandten sich enttäuscht ab, zeigten Ekel und Empörung über Dagons mutmaßliches Verhalten. Unter YouTube-Videos der Band häuften sich sarkastische Kommentare: In Anspielung auf den Song „From Chaos They Came“ witzelten einige Nutzer makaber von „From Kindergarten They Came“, und manch einstiger Anhänger schrieb resigniert, er werde sich künftig nicht mehr in einem Inquisition-T-Shirt auf die Straße trauen. Andere Fans hingegen verteidigten die Band oder relativierten die Vorwürfe – sei es aus Loyalität zur Musik oder aus Zweifel an der medialen Darstellung. Diese Anhänger argumentierten beispielsweise, Dagon habe seine Strafe verbüßt und es handle sich um alte Geschichten, die man nun ruhen lassen solle. So prallten in den Diskussionen zwei Lager aufeinander: diejenigen, die keine Toleranz für Verfehlungen dieser Art zeigen wollten, und diejenigen, die versuchten, zwischen Künstler und Privatperson zu trennen oder Dagons Version der Geschichte Glauben schenkten.
Auch von Seiten der Musikindustrie und Veranstaltern gab es umgehende Konsequenzen. Wie erwähnt, trennte sich das Label Season of Mist unmittelbar von Inquisition, wodurch die Band ohne Plattenvertrag dastand. Kurz darauf folgte eine weitere Hiobsbotschaft: Die norwegische Black-Metal-Größe Satyricon, die Inquisition als Vorband für eine anstehende Nordamerika-Tournee vorgesehen hatte, warf Inquisition noch vor Tourbeginn aus dem Line-up. Offiziell kommentierte Satyricon den Schritt kaum, doch es war offenkundig eine Reaktion darauf, dass man mit der Kontroverse nichts zu tun haben wollte. Ebenso strich mindestens ein bedeutendes Festival Inquisition aus seinem Programm: Beim beliebten Maryland Deathfest 2018 beispielsweise wurde ihr geplanter Auftritt abgesagt, nachdem die Vorwürfe publik geworden waren. Es ist wahrscheinlich, dass auch andere Festival- und Konzertveranstalter in der Folge Abstand von der Band nahmen, um negative Schlagzeilen zu vermeiden.
Bemerkenswert ist, dass innerhalb der Metal-Szene auch selbstkritische Stimmen laut wurden. In einem vielbeachteten Kommentar im Decibel Magazine etwa appellierte der Musiker Neill Jameson (von der Band Krieg) an die Szene, moralische Grenzen klar zu ziehen: Egal wie sehr man die Kunst eines Künstlers schätze – bei schweren Verfehlungen wie pädophilen Handlungen müsse es Konsequenzen geben, und das Totschlagargument „Trennung von Kunst und Künstler“ dürfe nicht als Entschuldigung für völlige Gewissenlosigkeit dienen. Solche Stimmen unterstrichen, dass die Metal-Community sich weiterentwickeln müsse und Verantwortung tragen solle, wen sie unterstützt. Insgesamt herrschte in weiten Teilen der Szene Einigkeit darüber, dass Kinderpornografie als absolutes No-Go gilt – ein Tabubruch, der auch im extremsten Metal nicht tolerierbar sei.

Dagons Stellungnahme und Verteidigung
Angesichts des öffentlichen Aufschreis sah sich Jason “Dagon” Weirbach selbst gezwungen, aus der Deckung zu kommen. Nur wenige Stunden nach dem MetalSucks-Bericht und den ersten Reaktionen veröffentlichte er noch am 23. März 2018 ein ausführliches Statement auf der offiziellen Facebook-Seite von Inquisition. Darin ging er auf die Anschuldigungen ein, bemühte sich um Schadensbegrenzung und stellte seine Sicht der Dinge dar.
Dagon begann seine Stellungnahme mit dem Versuch, die aufkeimende Empörung zu bremsen. Er bezeichnete den MetalSucks-Artikel als „schreckliche Fehlinformation“ über eine persönliche Angelegenheit aus dem Jahr 2007. Wichtig sei, „dass alles, was MetalSucks veröffentlicht hat, aus Gerichtsdokumenten stammt, die eher Vorwürfe und Anklagen enthalten als das, was bewiesen oder zugegeben wurde“. Damit wollte er andeuten, dass der Bericht ein verzerrtes Bild zeichne, indem er Anschuldigungen aus den Akten zitiere, nicht aber das tatsächliche Endergebnis berücksichtige.
Weiter betonte Dagon: „Ich habe niemals auf schuldig plädiert und die Original-Anklage wurde fallengelassen, nachdem das Gericht alle Beweise untersucht hatte. Ich bin kein Sexverbrecher, und ich war absolut unschuldig in Bezug auf alle Klagepunkte.“ Dies ist der Kern seiner Verteidigung: Er stellt sich als jemand dar, der zwar in Verdacht geraten war, letztlich aber – in seinen Worten – von den eigentlichen Hauptvorwürfen entlastet wurde. Die Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft sei nur auf Druck der Anklage zustande gekommen („der Plea Bargain wurde vom Staatsanwalt durchgesetzt“), und für die Verteidigung sei es die beste Option gewesen, ein langwieriges Gerichtsverfahren zu vermeiden. Er bestätigt damit implizit, dass es einen Deal gab, versucht aber klarzustellen, dass dieser Deal kein Schuldeingeständnis zu sexuellem Missbrauch von Kindern beinhaltet habe.
Dagon ging im Statement auch auf Einzelheiten ein, um seine Unschuld zu untermauern. So erklärt er, die Untersuchung habe ergeben, dass er nichts in Besitz hatte, was unter die ursprüngliche Anklage (Kinderpornografie) fiel – diese sei daher fallengelassen worden. Die Punkte, zu denen er sich bekannte, stellt er als vergleichsweise harmlos dar: Ein Vorwurf habe lediglich das Betrachten von Pornografie an einem öffentlichen Ort betroffen (gemeint ist offenbar das Uploaden besagter Inhalte auf einer öffentlichen Plattform), und der andere Vorwurf die Erschwerung der Ermittlungen, den er allerdings bestreitet. Diese seien Teil des Deals gewesen, und er habe ihnen nur zugestimmt, um den gesamten Albtraum zu beenden. Wichtig sei, so Dagon, dass „keine andere Person als ich selbst“ involviert gewesen sei – sprich: Er beteuert, niemandem direkten Schaden zugefügt zu haben. Zudem hebt er hervor, er habe seit 2009 sämtliche Auflagen erfüllt und sein Leben weitergeführt, ohne je wieder mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
Abschließend appelliert Dagon an die Fans, ihn nach wie vor an seiner Musik zu messen und nicht an diesem Skandal. Er sei immer eine private Person gewesen und habe nie Wert auf „destruktiven Sensationalismus“ gelegt – sprich, er wolle sein Privatleben privat halten. Er hoffe, seine transparente Erklärung würde verstanden, und bedankte sich bei seinen Anhängern für ihre anhaltende Unterstützung. Mit „viel Respekt“ unterschrieb er das Statement als Dagon.
Diese Stellungnahme wurde natürlich ebenfalls kontrovers aufgenommen. Für manche wirkte sie wie der Versuch, sich um Verantwortung zu drücken und die Schuld auf Medien und Justiz abzuwälzen. Andere hingegen fühlten sich bestätigt, dass die Sache vielleicht doch nicht so eindeutig war, wie es der erste Eindruck vermittelte. Unbestreitbar ist, dass Dagon sich hier eindeutig nicht reumütig zeigte, sondern kämpferisch seine Unschuld in Bezug auf die schlimmsten Vorwürfe beteuerte. Damit lieferte er seinen verbliebenen Unterstützern zumindest Argumente, weiter zu ihm zu halten – während Kritiker ihm vorwarfen, trotz belastender Fakten nichts einzuräumen und lediglich auf Paragraphen herumzureiten.

Rechtliche Folgen und Nachwirkung
Aus rein rechtlicher Sicht hatte die Enthüllung im Jahr 2018 für Jason „Dagon“ Weirbach keine unmittelbaren Konsequenzen – denn sein Fall war ja längst abgeschlossen. Er hatte die Bewährungsauflagen von 2009 bis 2011 erfüllt, war in keinem Sexualstraftäter-Register eingetragen und musste keine neuen Verfahren fürchten. Die Justiz behandelte die Angelegenheit als erledigt. Allerdings rückte der Fall durch die späte Publizierung in ein grelles Licht, was man als späten Rufmord oder zumindest Rufschädigung bezeichnen könnte. Weirbach sah nun einen großen Teil seines Lebenswerks – die Band Inquisition – durch die Vergangenheit bedroht.
Die Karriere der Band wurde 2018 abrupt ausgebremst. Ohne Label, mit abgesagten Tourneen und einem Shitstorm in den sozialen Medien stand in den Sternen, wie und ob es mit Inquisition weitergehen könnte. Einige in der Szene spekulierten, dies könne das Aus der Band bedeuten. Schließlich hatten vergleichbare Skandale schon andere Metal-Acts zu Fall gebracht. Doch Dagon gab sich unbeirrt: Er ließ verlautbaren, dass Inquisition weitermachen würden, komme was wolle. Tatsächlich zog sich die Band für eine Weile aus der Öffentlichkeit zurück, vermutlich um die Wogen glätten zu lassen. In den Monaten nach März 2018 war es still um Inquisition – kein Wunder, angesichts der toxischen Stimmung.
Rechtlich gesehen blieben weitere Entwicklungen aus; es gab keine neuen Ermittlungen, da – trotz aller moralischen Empörung – kein neues Verbrechen vorlag. Allerdings diskutierten Fans, ob es nicht vielleicht doch unbekannte Opfer gegeben haben könnte (schließlich sind in kinderpornografischem Material real existierende Kinder die Leidtragenden). Solche Debatten führten aber nicht zu handfesten juristischen Schritten gegen Dagon, da seine vereinbarte Schuld im juristischen Sinne nicht den direkten Missbrauch beinhaltete. Somit beschränkten sich die Folgen auf die gesellschaftliche und berufliche Ebene: Vertrauensverlust, Image-Schaden und wirtschaftliche Einbußen für die Band.

Ausblick: Wie ging es mit Inquisition weiter?
Nach dem Sturm des Jahres 2018 blieb die Frage offen, ob Inquisition aus diesem Tief zurückkehren könnten. Viele Fans hatten der Band abgeschworen, und in der Öffentlichkeit war der Name Inquisition nun untrennbar mit dem Makel der Pädophilie-Vorwürfe verbunden. Dennoch zeigte sich, dass Inquisition nicht vollständig am Ende waren. Im Verborgenen arbeiteten Dagon und Incubus weiter an Musik. Im Jahr 2020 – rund zwei Jahre nach dem Skandal – meldete sich die Band tatsächlich mit einem neuen Studioalbum zurück: Black Mass for a Mass Grave. Bemerkenswert hierbei war, dass ein anderes Label, das polnische Agonia Records, bereit war, Inquisition unter Vertrag zu nehmen und die Platte zu veröffentlichen. Offensichtlich gab es also weiterhin Unterstützer und ein Publikum für die Band, trotz aller Kontroversen.
Die Veröffentlichung von Black Mass for a Mass Grave wurde in der Metal-Presse zwar zur Kenntnis genommen, verlief aber relativ leise im Vergleich zu früheren Releases. Keine große Promo-Kampagne, wenig Interviews – die Band hielt sich bedeckt. In Fankreisen fand das Album durchaus Anklang (musikalisch blieb man dem bewährten Black-Metal-Stil treu), aber die Diskussion um die Vorwürfe flammte bei jeder Erwähnung von Inquisition erneut auf. So bleibt der Schatten des Skandals weiterhin über der Band. Inquisition mögen musikalisch über die Jahre eine eigene Legende im Black Metal aufgebaut haben, doch für viele ist diese Legende unwiederbringlich beschädigt.
Fazit: Die Geschichte von Inquisition und den Pädophilie-Vorwürfen gegen Dagon ist ein Lehrstück darüber, wie eine schockierende Enthüllung eine Metal-Band ruinieren oder zumindest radikal verändern kann. Wir haben den Werdegang der Band von ihren Anfängen im kolumbianischen Underground, über internationale Erfolge, bis hin zum abrupten Fall im Jahr 2018 nachgezeichnet. Der Skandal entfaltete sich chronologisch: erst das verborgene Verbrechen (2007–2009), dann fast ein Jahrzehnt Stille, schließlich die öffentliche Enthüllung und der Backlash 2018, gefolgt von Dagons verzweifelter Verteidigung und den Nachwirkungen bis heute. Die Metal-Szene reagierte gespalten, aber insgesamt mit der klaren Botschaft, dass Kindesmissbrauch – direkt oder indirekt – eine Grenze darstellt, bei der für viele der Spaß aufhört. Ob Inquisition diese dunkle Episode jemals vollständig abschütteln können, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass dieser Fall noch lange als abschreckendes Beispiel in Erinnerung bleiben wird, wie schnell sich Ruhm in Rufmord verwandeln kann – und dass hinter der drastischen Bühnenpersona mancher Black-Metaller manchmal Abgründe lauern, die jede Fiktion übertreffen.